Wie entsteht eine Sucht?
Egal ob Alkohol, Cannabis oder Videospiele: Eine Abhängigkeit entwickelt sich nicht von einem Tag auf den anderen. Vielmehr ist die Suchtentwicklung ein Prozess, der meist über einen längeren Zeitraum verläuft.
Aus eigener Erfahrung wissen die meisten, dass die Nutzung des Computers über mehrere Stunden am Tag nicht einfach abhängig macht. Viele kennen dieses Phänomen auch vom eigenen Alkoholkonsum. Doch in einigen Fällen entwickelt sich aus Spaß und Genuss eine Abhängigkeit. Dabei spielen sowohl biologische, psychologische als auch soziale Faktoren eine Rolle.
Die Phasen der Suchtentwicklung
1. Kennenlernen
Viele Menschen kommen im Jugendalter erstmals mit Drogen in Berührung. Das unmittelbare soziale Umfeld wie Freunde und Familie aber auch die gesellschaftlichen und medialen Einflüsse spielen hierbei eine wichtige Rolle. Jugendliche treffen – bewusst oder unbewusst – eine Entscheidung: Soll ich dieses Mittel jetzt probieren? Warum sollte ich es nicht probieren?
Die Funktion, die dieses Ausprobieren hat, liegt in der Befriedigung der Neugierde und auch dem Mitmachen in der Gruppe. Einige Jugendliche entscheiden sich, ein Mittel öfter zu probieren, andere probieren es einmalig, aber beenden den Konsum danach.
2. Experimentieren
Nach dem Kennenlernen folgt die Experimentierphase: mehr konsumieren, eigene Vorlieben entdecken, Grenzen abtasten. Umbauprozesse im Gehirn führen in der Pubertät zu einer hohen Impulsivität, einem stark ausgeprägtem Neugierverhalten und einer erhöhten Risikobereitschaft von Jugendlichen. Das begünstigt sowohl das Probierverhalten, bspw. den Erstkonsum, als auch ein riskantes oder exzessives Konsumverhalten in der Pubertät.
Die Risiken des experimentellen Konsums hängen stark von der jeweils konsumierten Substanz bzw. dem Ausmaß des Konsumverhaltens ab. Auch ein früher Erstkonsum kann ein besonderer Risikofaktor sein. Zudem kann die individuelle genetische Veranlagung Einfluss auf die Wirkweise von Substanzen und auf die Neigung zum Substanzkonsum haben.
3. Kontrollierter Konsum
Das Experimentieren ist meist vorübergehend. Einige beenden nach einer Phase des Experimentierens den Konsum - insbesondere von Substanzen, die unerwünschte Nebeneffekte haben und/oder die gesellschaftlich weniger akzeptiert sind. Die meisten finden im Laufe der Zeit ein Konsumverhalten, das mit dem eigenen Wohlergehen und den Anforderungen des Alltags vereinbar ist, wie einen möglichst risikoarmen Alkoholkonsum.
Der Substanzkonsum wird dann womöglich zur Gewohnheit: Es ist keine bewusste Entscheidung mehr, in bestimmten Momenten zu konsumieren, sondern es gehört zum Alltag dazu. Immer geht mit dem Substanzkonsum deshalb ein gewisses Risiko einher: Ohne es zu merken konsumiert man mehr als gewollt, öfter oder aus anderen Gründen.
4. Problematischer Konsum
Mitunter gewinnen die Substanzen oder das Konsumverhalten eine wichtige Funktion im Leben. Wenn Substanzen oder auch bestimmte Verhaltensweisen immer häufiger oder gezielt eingesetzt werden, bspw. um persönliche Probleme auszublenden, ist von einem problematischen Konsum auszugehen. Mitunter tritt ein problematischer Konsum auch phasenweise z.B. in Zeiten von Trauer, Konflikten oder Stress auf.
Eindeutige Signale für einen problematischen Konsum gibt es leider nicht. Folgende Verhaltensänderungen können jedoch einen Hinweis auf einen problematischen Alkohol-, Drogen- oder Medienkonsum (Videospielsucht, Onlinesucht) bei Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter geben:
- Auffallende Veränderungen im Verhalten, der Kleidung, der Freunde, im Ausgehverhalten, in den Schulleistungen
- Soziale Isolierung / Verlust von Freunden
- Unzuverlässigkeit (bspw. bei Absprachen, Verabredungen)
- Kein Interesse am Umfeld
- Schlechter Kontakt zu Eltern und Lehrern
- Niedergeschlagenheit / passives Verhalten
- Häufiges Zuspätkommen / Schulversäumnisse
- Häufiges Sprechen über die Droge und deren Konsum
- Finanzielle Schwierigkeiten / Geld leihen
- Konzentrationsprobleme
Insbesondere in der Pubertät ist auch ohne ein problematisches Konsumverhalten mit einigen der genannten Verhaltensänderungen zu rechnen! Ist jedoch für Sie als Ursache ein (zunehmender) Substanzkonsum oder bspw. die zunehmende Mediennutzung auszumachen, sollten Sie das Thema unbedingt offen mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter besprechen.
Womöglich zeigen sich in dieser Phase auch Symptome einer Abhängigkeit, wie bspw. ein Kontrollverlust, eine Toleranzentwicklung oder die Vernachlässigung anderer Interessen. Führt das Konsumverhalten tatsächlich zu einer Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit liegt nach medizinischen Kriterien ein schädlicher Substanzkonsum (Missbrauch) vor.
5. Abhängigkeit
Wird das Konsumverhalten trotz negativer Konsequenzen aufrechterhalten, ist dies ein starkes Indiz für eine Abhängigkeit. In der Medizin gibt es klare Kriterien für die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung.
Drei der sechs Punkte müssen dafür über einen Zeitraum von einem Jahr erfüllt sein:
- Starker Wunsch oder eine Art innerer Zwang eine Substanz zu konsumieren
- Verminderte Kontrollfähigkeit bzgl. Beginn, Beendigung und Menge des Substanzkonsums
- Körperliche Entzugssymptome bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
- Toleranzentwicklung (d.h. eine Dosiserhöhung ist notwendig, um die gewünschte Wirkung zu erreichen)
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand für Substanzbeschaffung und -konsum oder um sich von Konsumfolgen zu erholen
- Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis schädlicher Folgen (körperlich oder psychisch)
Häufig wird unterschieden zwischen einer körperlichen und einer psychischen Abhängigkeit. Während eine körperliche Abhängigkeit zu lebensbedrohlichen Entzugserscheinungen führen kann ist sie vergleichsweise gut medikamentös zu behandeln. In der Regel ist die psychische Abhängigkeit also wesentlich schwieriger zu überwinden als die körperliche Abhängigkeit.
Was kann ich tun?
Bei Jugendlichen ist es besonders schwierig, ein mitunter exzessives Probierverhalten, von einem missbräuchlichen oder schädlichen Verhalten zu unterschieden.
Besonders wichtig ist es, mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter im Gespräch zu bleiben und nicht in Panik zu verfallen. Beobachten Sie die Lebenssituation Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes: Welchen Stellenwert hat das problematische Verhalten? Gibt es negative Veränderungen im schulischen Bereich, im Freundeskreis oder bei Freizeitaktivitäten?
Bei Fragen zum Substanzkonsum oder problematischen Medienkonsum Ihres Kindes beraten wir Sie kostenfrei und anonym.
Informationen und Hilfemöglichkeiten für Eltern und Angehörige gibt es auch in Drogen- oder Erziehungsberatungsstellen vor Ort. Für Suchtbetroffene gibt es zudem kostenfreie und anonyme Beratungsangebote im Internet.
Richten Sie Ihre Fragen an unsere kostenfreie, professionelle Online-Beratung.
Infomaterial
Fundierte Informationen zum Thema Drogen und Suchtverhalten finden Sie in unserer Auswahl an Informationsmaterialien. Die Broschüren können Sie kostenfrei herunterladen oder teilweise portofrei nach Hause bestellen.
Substanzen und Suchtverhalten
Sie wollen mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter über Alkohol, Drogen, die exzessive Nutzung von Smartphones oder Onlinegames sprechen? Informieren Sie sich über häufig genutzte Rauschmittel und "Verhaltenssüchte" wie die Abhängigkeit von Videospielen oder Internetsucht.